Tutanchamun reist von Kairo nach Basel

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Karnak
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Tutanchamun reist von Kairo nach Basel

Beitragvon Karnak » Sa 13 Mär, 2004 00:03

5. März 2004, 02:29, Neue Zürcher Zeitung


Tutanchamun reist von Kairo nach Basel
Das Einpacken von Antiken ist eine hohe Kunst
Seit zwei Wochen werden im Ägyptischen Museum in Kairo rund 120 antike Kostbarkeiten verpackt. Am Wochenende sollen die Kunstschätze nach Basel geflogen werden. In den Kisten liegend, werden sie noch einmal fotografiert, damit bei ihrer Rückkehr nach Ägypten allfällige Fälschungen entlarvt werden können.


ber. Kairo, 4. März

«Zzzzzzz» surrt fast ununterbrochen eine Säge im Restaurierungslabor des Kairoer Antikenmuseums. Mit ihr schneidet ein Angestellter der französischen Verpackungsfirma Chenue mal grosse, mal kleine Hohlräume in lila Schaumstoffmatten. «Bei einer Steinstatue darf der Kautschuk satt sitzen», erläutert der junge Mann, legt ein Stück Textilmaterial in die Aussparung und setzt vorsichtig ein Statuettenpaar aus schwarzem Granit, Khaemwaset und Manana, hinein. Bevor sich der säurefreie, reissfeste und doch weiche Stoff mit der Bezeichnung Tivek über den Eheleuten schliesst, fotografiert ein Polizist noch rasch ein Detail, von Fachleuten «Fingerprint» genannt. Nach der Rückkehr der 120 nach Basel ausgeliehenen Antiken nach Kairo könne man mit Hilfe der Fotografien leicht feststellen, ob es die Originale oder etwa Nachbildungen seien, erläutert Kurt Bosshard, der Chefrestaurator des Antikenmuseums Basel.

Isolationsfolie schützt vor Alterung
Bosshard ist am 14. Februar nach Kairo gekommen, um zusammen mit den ägyptischen Kuratoren das Verpacken der ausgewählten Stücke, welche am Samstag und Sonntag nach Basel geflogen werden, zu überwachen. Dort wird von April bis Oktober die Ausstellung «Tutanchamun - Das goldene Jenseits» gezeigt. Zum ersten Mal seit 23 Jahren kommen damit Schätze aus der Grabkammer des jung verstorbenen Königs wieder nach Europa.

Der Restaurator war bereits im vergangenen Oktober einen Monat lang in Kairo, um die 50 Grabbeigaben Tutanchamuns und 70 weitere Grabschätze aus der Zeit der 18. Dynastie genau zu beschreiben. «Jedes Stück hat heute eine eigene Akte», sagt Bosshard und zeigt auf einen grossen Stapel Papier. Die ägyptischen Kollegen hätten noch einmal verschiedene Dinge korrigiert, bevor sie ihre Unterschrift unter die einzelnen Dokumente gesetzt hätten. Zuvor seien alle Stücke im Restaurierungslabor gereinigt worden, bei besonders delikaten Objekten seien die Farben mit einer dünnen Schicht Acrylharz gefestigt worden. «Das benutzen Restauratoren heute weltweit; es eignet sich hervorragend zur Konservierung», erklärt Bosshard.

Antiken im Wert von 650 Millionen Dollar
Was, wo und wie verpackt werde, bestimmten hingegen die Spezialisten von Chenue, sagt Bosshard. «Von uns hat die Firma lediglich den Auftrag, die Antiken im errechneten Wert von 650 Millionen Dollar hälftig auf zwei Flugzeuge zu verteilen.» Damit solle verhindert werden, dass, im Falle eines Absturzes, alle Kostbarkeiten zerstört würden.

Auf ihren grossen Holzkisten macht die Verpackungsfirma Eigenwerbung. «Chenue depuis 1760» steht auf bunten Aufklebern. Das Unternehmen ist die grösste Kunsttransportfirma Frankreichs und eine der wichtigsten der Welt. In Kairo besitzt sie eine eigene Filiale. Im Kairoer Museum scheinen die Angestellten gut beschäftigt zu sein, packen sie doch momentan nicht nur Antiken für Basel, sondern auch für Ausstellungen in Spanien und in den USA ein. Die Kisten sind auf Mass angefertigt und mit einer kunststoffbeschichteten Aluminiumfolie ausgekleidet. Sie halte Feuchtigkeit und Temperatur beim Transport stabil, erläutert einer der Packer. Das Klima sei wiederum entscheidend für die Alterung der Antiken, ergänzt Bosshard.

Sicher sei sicher, fährt der Restaurator fort, und deshalb lege er in die meisten Kisten noch einen «Datalogger», ein Hygrometer. Dieses zeichne eventuelle klimatische Veränderungen während des Fluges auf. «Auch wie hoch Temperatur und relative Luftfeuchtigkeit in den Vitrinen in Basel sein werden, haben wir bereits festgelegt», sagt Bosshard. Ausschlaggebend sei dabei das Material; Metall müsse eher trocken ausgestellt werden, Holz brauche hingegen eine gewisse Luftfeuchtigkeit, um nicht zu schrumpfen.

Heben statt ziehen
Inzwischen hat ein Packer sämtliche Höhlen des Schaumgummis für die oberste Holzschale der Kiste Nr. 7 ausgesägt. Eine kleine Figur mit einer Bruchstelle auf einem schweren Zauberstein bereitet ihm Kopfzerbrechen. Schliesslich stellt er sie mit Seidenpapier umhüllt in die Öffnung, stopft den Leerraum vorsichtig aus und schneidet den Schaumstoff in 10 Zentimeter Abstand nochmals ein. So kann das Figürlein in Basel mit dem Kautschuk herausgehoben werden, statt am Kopf herausgezogen werden zu müssen. Damit wirklich alles nach Vorschrift gehen wird, wird ein Angestellter von Chenue auch beim Auspacken in Basel dabei sein.
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