Kairo/Wien – "Sie machen mich fertig", soll Ägyptens Präsident Abdelfattah al-Sisi einmal entnervt zum obersten Geistlichen des Landes, Al-Azhar-Großscheich Ahmed al-Tayyeb, gesagt haben. Tatsächlich befinden sich die beiden – und ihre Institutionen, Präsidentschaft und theologische Schule – in einem Dauerclinch. ...
... Die tausend Jahre alte Al-Azhar, die als wichtigste sunnitische theologische Institution weltweit gilt, widersetzt sich staatlich verordneter Reform und Reglementierung. Zur Debatte standen in den letzten Monaten etwa die Abschaffung des männlichen Rechts der nur mündlich ausgesprochenen Scheidung, die Vorgabe der Inhalte der Freitagspredigten durch den Staat und die Beschränkung des Kreises von Personen, die Fatwas (islamische Rechtsgutachten) erstellen dürfen. ...
... Al-Azhar-Großscheich Tayyeb entließ (nämlich) den Chef der Al-Azhar-Universität, Ahmed Hosni Taha, nachdem dieser einen Reformtheologen als "vom Islam abgefallen" bezeichnet hatte. Dieser, Islam al-Beheiri, hatte unter anderem kritisiert, dass Al-Azhar auch Inhalte lehre, die den Extremismus rechtfertigen und fördern. ...
... Tayyeb weist zwar die Vorwürfe Beheiris scharf zurück, dass die Al-Azhar-Studierenden an der Hochschule radikalisiert werden. Nach seinen eigenen Regeln konnte er aber nicht anders, als seinen Uni-Chef zu entlassen. Al-Azhar lehnt die unter Extremisten gängige Praxis, einen andersdenkenden Muslim zum Apostaten [Ablehner der verlassenen Religion als solche] zu erklären, streng ab. Hosni Taha hatte genau das mit Beheiri getan.
Allerdings führt das auch dazu, dass Al-Azhar auch nicht, wie von ihr immer wieder verlangt – zuletzt nach dem Massaker an Kopten am Palmsonntag -, den "Islamischen Staat" als abgefallen erklärt. Der IS sei wie die frühislamische radikale Gruppe der "Khawarej", so die Al-Azhar-Scheichs: Verbrecher, aber noch immer Muslime, denn sie würden sich zum Glauben an Allah bekennen. Tatsächlich ist das ja ein viel interessanterer und herausfordernder Ansatz als die übliche vereinfachende Aussage, dass jihadistische Terroristen allesamt keine Muslime seien – mit denen sich der Islam in der Folge auch nicht auseinandersetzen muss. ...
Gruß, Lutz.