Hallo Mike,
erst mal möchte ich auch mal ein Mißverständnis ausräumen.
Ich habe natürlich nicht alles kritisiert, was von Dir und Jo geschrieben wurde. Ich bin davon aus gegangen, dass dies durch die kleine Zitatsammlung deutlich wurde. Sollte das nicht der Fall gewesen sein, tut es mir leid.
Natürlich bin ich auch gegen Ausbeutung und Geschäftemacherei auf Kosten der Ägypter. Wenn es denn tatsächlich so sein sollte.
TUI und Co sind nämlich nicht so wirklich die, die die Angestellten bezahlen, sondern dies sind die Ägypter selber. Beispiel:
Phoenix bietet Reisen nach Ägypten an. Es sieht zwar immer so aus, als wären die Reiseführer, Busfahrer etc. bei Phoenix angestellt, in Wirklichkeit gibt es jedoch ein ägyptisches Unternehmen namens Memnon, das die komplette Betreuung der Reisenden übernimmt. Die bezahlen dann auch ihre Angestellten. Genauso läuft das meines Wissens nach bei TUI, OFT, etc.
Das Schiff für die Nilkreuzfahrt wird von der Reisegesellschaft gechartert, das bedeutet, es gibt einen festen Preis, der bezahlt wird und die Reederei bezahlt die Besatzung. Das eingesammelte Trinkgeld ist somit keine Aufstockung des Gehalts, da dieses aus einer ganz anderen Kasse stammt.
Ich will damit nicht sagen, dass das alles Engelein sind, aber es ist auch nicht alles schwarz-weiß und so einfach, wie man sich das in seiner Phantasie so ausmalt.
Und nun noch mal zum Trinkgeld und zu diesem Zitat von Dir:
Zumindest die Touren in bestimmte Shops mit Provisionen für die Reiseleiter
Es ist richtig, die Reise
führer (freiberuflich, dafür dass sie studiert haben ein erschreckend geringes Gehalt) bekommen Provision, wenn man in bestimmten Shops was kauft. Damit bessern sie ihr Gehalt auf, was ich ihnen nicht verdenken kann, ich würde das auch machen. (Reise
leiter bekommen übrigens für die gebuchten, fakultativen Ausflüge Provision)
Wie das auf diesen Tagesfahrten von Hurghada aus abläuft gefällt mir auch nicht. Ich würde das als Kaffeefahrten bezeichnen.
Auf der Nilkreuzfahrt verhält sich das ein wenig anders (zumindest war es bei meinen Reisen bisher so, mag sein, dass es auch da schwarze Schafe gibt).
Die Fahrten zu Juwelier, Papyrus-Museum, Parfümerie oder Alabaster-Fabrik wurden uns immer freigestellt. Das bedeutet, wenn die Besichtigungen für den Tag beendet waren fragte der Reiseführer, ob man noch Interesse an so was hätte. Wenn es Interessenten gab fuhr der Bus da hin, wenn nicht ging es sofort zurück zum Schiff. Gab es Interessenten, wurden die zum Verkaufsort gefahren und die Leute, die dann gar nicht mit wollten, die wurden sogar direkt zum Schiff zurück gefahren, so dass sie nicht warten mussten. Und zwar nicht nur wenn mehrere nicht mitwollten. Wir sind sogar schon mit 2

Personen zurückgefahren worden!
Also sag mir, wo da ein Zwang ist.
Und jetzt mal zu diesem und zum Thema Trinkgeld:
Meines Erachtens gibt es viele Leute, die zum ersten Mal nach Ägypten fahren und einen regelrechten Kulturschock bekommen. Aufdringliche Händler, schmuddelige Straßen, bettelnde Kinder, etc.
Diese Leute fühlen sich auf dieser ersten Reise schrecklich unwohl, wenn sie auch nur kurz vor die Tür gehen, weil sie sofort bedrängt werden von Taxifahrern, Kaleschenfahrern und wenn sie es dann bis zu einem Laden schaffen vom Verkäufer, der sie nicht wie in Deutschland gewohnt gucken lässt.
Auch wenn Du das vielleicht nicht glauben magst: Diese Leute finden erst bei diesen Verkaufsfahrten die Ruhe sich etwas anzuschauen und Geschenke für die Daheim geliebenen zu kaufen.
Und dann ist noch jemand da, der ihnen beim Handeln hilft, nämlich der Reiseführer, der aufpasst dass sie nicht bedrängt oder übers Ohr gehauen werden.
Ich denke, ich kann die Preise inzwischen ein wenig beurteilen und ich habe auch diesmal diese Verhandlungen beobachtet. Der Reiseführer sagt ganz klar, wenn etwas zu teuer ist, er motzt den Verkäufer auch mal in arabisch an, wenn der versucht den Touri übers Ohr zu hauen, etc. Natürlich sind die Preise in den Papyrus-Instituten anders als auf dem Basar. Aber wenn ein seriöser Reiseführer dabei ist, dann sind das ein paar Pfund, die der Touri aber gerne zahlt, damit er in Ruhe einkaufen kann.
Schwarze Schafe gibt es überall, aber ich möchte aufgrund meiner Erfahrungen vor Pauschalisierungen warnen.
Und genauso verhält es sich beim eingesammelten Trinkgeld.
Mal als Beispiel: Wenn am Ende der Tour nicht irgendein Touri aus der Reisegruppe für den Reiseführer Trinkgeld sammeln würde, würden schätzungsweise nur die Hälfte der Gruppe überhaupt ein Trinkgeld geben. Genauso verhält es sich mit dem Zwangs-Trinkgeld. Is leider so.
Und das zweite Argument: Touris auf Nilschiffen schliessen ihr Geld in den Safe, weil sie keins brauchen. Trotzdem werden sie nicht böse angeguckt, wenn sie kein Trinkgeld geben, denn die Angestellten kriegen ja ihr "Zwangstrinkgeld". Dass man dann am Ende trotzdem noch ein Trinkgeld gibt freut die netten Angestellten natürlich auch sehr, denn damit wird ihnen am Ende der Reise gezeigt: "war klasse Dein Service, prima aufgeräumt" etc.
Und das ist das schöne auf so einer Fahrt: Alle sind super freundlich auch wenn sie nicht dauernd zwischendurch was in die Hand gedrückt bekommen.
Unangenehmes Beispiel auf unserer Nilkreuzfahrt letzte Woche: Der Zimmerboy hatte ein Figürchen aus Handtüchern gebastelt und stand jetzt da in unserer Kabine und ging einfach nicht mehr. Weil wir ihn ja nicht rausschubsen wollten (anders wär der vermutlich nicht gegangen) drückten wir ihm 5 Pfund in die Hand. (Ich muss dazu sagen, wir hatten am Tag vorher schon ein Scheinchen aufs Bett gelegt.)
Der guckt auf den Schein und guckte so böse, dass ich ihm den am liebsten wieder aus der Hand genommen hätte. Ich vermute mal er hatte eher einen 5-Euro- Schein erwartet, eben weil viele Touris kein Maß kennen.
Und das ist die andere Seite der Medaille: nämlich die, die mit Geld um sich schmeissen.
Aber mal ganz ehrlich: Wie kann man sowas in den Griff bekommen?
Ich glaube jedenfalls nicht indem man die Reisegesellschaften verteufelt, weil sie Trinkgeld-Sammlungen machen. Denn damit erreicht man nur, dass die, die eh keinen Bock haben Trinkgeld zu geben sich im Recht fühlen, wenn sie diese "Zwangszahlung" verweigern. Und Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass die dann hingehen und mehr Leuten als ihrem Lieblingskellner und dem Zimmerboy ein Trinkgeld geben. So eigenständig und menschenfreundlich sind die Touris nun leider auch nicht

Einen hab ich noch:
Ich würde mich trotzdem eingesperrt fühlen, weil ich mich nicht frei bewegen könnte, auf die Preise & Angebot auf dem Schiff angewiesen wäre.
Nochmal: das bist Du nicht. rein theoretisch brauchst Du an Bord gar nichts kaufen. Auf der Nilkreuzfahrt bucht man immer VP. Das bedeutet nur die Getränke muss man bezahlen. Wenn Du dadrauf also keinen Bock hast, gehst Du einfach in den nächsten Laden in Luxor, Esna, Kom Ombo oder Assuan (die Schiffe liegen nämlich täglich irgendwo vor Anker) und deckst Dich mit selbstgekauften Getränken ein. Und wenn Du die in den Kühlschrank in deiner Kabine stellst sagt kein Mensch was.
Einer ist mir noch eingefallen:
Aber ich finde schon, dass wir uns schon einmal mit den Folgen, Problemen des Massentourismus auseinander setzten sollten. Davor kann man doch nicht einfach die Augen verschließen.
Natürlich nicht. Aber was wäre, wenn es die großen Reiseunternehmen nicht geben würde, die die Horden von Touris durch die Tempel schleift?
a) eine wichtige Einnahmequelle des Landes wäre weg, weil die meisten nicht individuell reisen wollen (Angst, Bequemlichkeit, Unsicherheit)
b) Ich stelle mir gerade vor, wie es wäre, wenn so einige Leute, die ich so in diesen Pauschalreise-Gruppen erlebt habe, alleine durch Ägypten ziehen würden.
Die wären doch einerseits verloren, die würden übers Ohr gehauen bis zum geht nicht mehr. Und andererseits würden die doch ein viel schrecklicheres Bild abgeben, als wenn sie jemand (der Reiseführer z.B.) bremst oder anleitet. Ich sehe bei dieser Vorstellung Horden von kurzhosigen Deutschen durch Theben-West ziehen, die vom Taxifahrer erst mal zu Papyrusmuseum, Alabasterfabrik und zu sich nach Hause gefahren werden bevor sie überhaupt an irgendeinem Tempel angekommen sind und dafür dann noch 50 Euro Taxigeld bezahlen.
Ist vielleicht ein bißchen übertrieben, aber ich denke der Pauschaltourismus hat schon seine Berechtigung. Dass es dabei auch Ausbeutung gibt, ist leider nicht zu vermeiden, da es eben auf der ganzen Welt schlechte, geldgierige Menschen gibt. Leider gibt es gerade in Ägypten viel Betrug und Unterdrückung. Und die kommt nicht unbedingt nur von den Ausländern, sondern auch von den Einheimischen.
So, jetzt hör ich aber auf. Erst mal genug fürs erste.
Du siehst an der Länge des Beitrags, dass ich durchaus an einer sachlichen Diskussion interessiert bin. Vermutlich wird es auch jetzt wieder Proteste hageln, aber das ist ja auch ok. Ich weiss, dass ich bei vielen Dingen vielleicht viel zu positiv denke (das Glas ist bei mir meistens eher halbvoll statt halbleer

), aber so bin ich nun mal.
Ich entschuldige mich daher schon mal vorab, wenn ich vielleicht ein bißchen zu unkritisch schreibe.
Gruß
Uli