Tourismus schädlich für ägyptische Monumente?

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Tourismus schädlich für ägyptische Monumente?

Beitragvon Isis » Mi 14 Apr, 2004 23:53

"In 100 Jahren werden unsere antiken Monumente kollabiert sein. Nicht durch ein Erdbeben, sondern durch den Tourismus." So eine Warnung von Zahi Hawass, Chef des SCA.

Unterstellt man täglich 500 Besucher im Grab des Tutanchamun, die alle jeweils 20 g Feuchtigkeit hinterlassen, dann würde - durch das Zusammenspiel von Feuchtigkeit und den im Stein vorhandenen Substanzen - das Grab im Laufe der nächsten 20 Jahre langsam zerstört. Basierend auf dieser Annahme würde die Große Pyramide nur noch 100 Jahre und der Sphinx noch 200 Jahre überdauern, sagte Hawass in einem Interview mit dem Wochenmagazin al-Musawwar.

Auf der anderen Seite ist der Tourismus die wichtigste Einnahmequellen Ägyptens; 4 Mrd. US Dollar kommen auf diese Weise jährlich ins Land. Die antiken Stätten sind fester Bestandteil des Pauschaltourismus. Hätte der Tourismus überhaupt eine Zukunft ohne diese Attraktionen?

Die Unesco habe eine internationale Warnung herausgegeben, die besagt, dass die Monumente in Gefahr seien, sagte Hawass, "Unsere Antiquitäten sind einzigartig und waren einst durch äussere Einflüsse nicht gefährdet. Und die ägyptische Tourismusbranche ist mehr am Geldverdienen interessiert als am Schutz des Umfeldes der antiken Stätten. Nicht einmal das Erhöhen der Eintrittspreise würde etwas ändern, denn die Tourismusunternehmen würden sich beklagen, dass dann die Kunden ausblieben. Aber wir müssen die Preise zum 1. November erhöhen, um weitere Mittel für die Erhaltung der Objekte bereitstellen zu können. Es wurde auch entschieden, Sakkara zu schließen, wo Wandreliefs sehr gefährdet sind. Aus dem gleichen Grunde wurde die Besucherzahl für die Große Pyramide auf 300 täglich limitiert und das Grab der Nefertari geschlossen." Schließlich fügte Hawass entschieden hinzu: "Wir werden auch andere Stätten schließen, wenn sich herausstellt, dass diese gefährdet sind."

Der SCA-Chef rief angesichts der Wichtigkeit der Angelegenheit, die inzwischen auch ein weltweites Phänomen ist, zu einem Dialog auf zwischen der Tourdismusindustrie und dem Site Management der Antikenbehörde.

"Beide Seiten sollten gemeinsam eine Strategie erarbeiten, um unser Erbe zu schützen", sagte er weiter. "Ägypten kann kaum mit 5.000 Touristen pro Jahre auskommen. Aber alles was darüber hinaus geht, könnte zu einer Katastrophe schon innerhalb der nächsten 50 Jahre führen; 100 Jahre scheinen mir zu optimistisch. Aus diesem Grunde sollten die Verantwortlichen sich auf die Touristen konzentrieren, die der Wirtschaft nützen. Es sollte eine internationale Konferenz stattfinden, an der Vertreter von Ministerien und Reiseagenturen ebenso teilnehmen wie Vertreter der lokalen Verwaltung, von Tourismus, Antikenbehörde, Kultur und Umwelt."

Viele der Tempel in Karnak und Luxor sind grundwassergefährdet. Sie stehen auf Plateaus und überschüssiges Wasser sammelt sich in darunterliegenden Hohlräumen, von wo aus es die Fundamente angreift. Beamte der Antikenbehörde haben auf die Gefahr des Einsickerns von Grundwasser hingewiesen. Geschehen ist daraufhin nichts oder nur wenig. Wegen des steigenden Grundwassers steht auch der Landwirtschaftsminister unter Beschuss, weil er sich dem Thema nicht stellt und die katastrophalen Folgen nicht zur Kenntnis nimmt.

Bild
hier bei aktuellen grabungen ( C. van Siclen ) im karnak tempel kann man gut die grundwasser schäden erkennen.

Letztendlich sollen nun alle Hand in Hand die Probleme angehen. Da eine wie auch immer geartete Lösung fraglos kostspielig werden wird, sollen diese Kosten sowohl vom Kultur- als auch vom Landwirtschaftsministerium getragen werden.

Quelle
http://www.uk.sis.gov.eg/online/html11/o300324z8.htm

weitere news von gitta findet ihr hier im -->
Ägyptologie-Blatt

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Uli
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Beitragvon Uli » Do 15 Apr, 2004 12:54

Es wurde auch entschieden, Sakkara zu schließen


Wundert mich nicht.
Hier Zitat aus meinem Reisebericht vom letzten Jahr:

In Sakkara angekommen, haben wir uns erstmal schrecklich aufgeregt. In den Mastabas von Sakkara durften wir nicht fotografieren. Die Wächter wollten sogar, dass wir am Eingang die Kameras abgeben (wir haben uns aber strikt geweigert). Atef stritt sich ganz heftig mit dem Sicherheitspersonal aber die liessen sich nicht erweichen. [...]
Als wir dann in den Mastabas waren, haben wir uns nochmals schrecklich aufgeregt. Diesmal jedoch über andere Touristen, die in großen Gruppen durch die Gänge zogen. Es war schockierend. Die einen lehnten sich mit ihren verschwitzten T-Shirts an die uralten Zeichnungen, wieder andere prüften durch Wischen mit den Fingern, ob die Farben echt sind und eine Französin fand es ganz normal sich und ihre Freunde direkt neben einer bunten Wand mit Wasser aus einer Sprühflasche zu besprenkeln. Ob das täglich dort so ab geht? Wie lange halten die Kunstwerke unter diesen Umständen noch? Warum sind die Wächter und die Reiseführer nicht aufmerksamer?


Ich kann echt nur empfehlen, lasst uns hinfahren, solange es noch geht. In 5, 6 Jahren ist da nix mehr wo man noch hin darf. Die einzigsten, die dann noch überall rein dürfen sind die amerikanischen Fernsehteams, die täglich Privatführungen vom grinsenden Zahi Hawass ("Brechstangen-Hawass") bekommen.

Leute fahrt hin, macht wie ich tausende von Fotos, damit in ein paar Jahren die Leute wenigstens virtuell im Internet noch die alten Steine begucken können.

Gruß
Uli

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chateri
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Beitragvon chateri » Do 15 Apr, 2004 14:39

Hallo uli,
dein reisebericht vom letzten jahr hat leider immer noch gültigkeit. Es ist grausam, mitansehen zu müssen, wie sich manche besucher benehmen. Ich bin sicher kein freund von Mr. Hawass, aber dass er hier probleme sieht kann ich nachvollziehen. Nur sein eintreten für das schliessen der bauwerke kann ich nicht nachvollziehen, denn wenn ich nur noch alles von der ferne betrachten darf, fahre ich dort doch nicht mehr hin. Ausserdem ist vieles "Weltkulturerbe" und damit auch "Eigentum" aller. Ich denke, man sollte sich vielmehr gedanken darüber machen, wie das verhalten der besucher gesteuert werden kann. Ich verstehe, dass die reiseführer im tal der könige ihre erklärungen nicht in den gräbern machen dürfen (noch mehr staus :) ) Aber wo steht denn, dass sie ihre gruppe nicht begleiten dürfen und für das verhalten verantwortlich sind? Warum gibt es keine möglichkeit, bussgelder zu kassieren, wenn die wände betatscht werden? Ich sehe auch mit sehr gemischten gefühlen die Billigst-Schnäppchen-Kombireisen, wo die nilfahrt halt so zur unterhaltung mal mitgemacht wird. Aber mit reinen studienfahrten wird man nicht genügend geld in´s land bringen. Meine grosse hoffnung ist, dass die sorte von touristen die dich und mich stören, bald ein anderes "Modeland" finden, denn die fahren nur einmal dort hin. ("Das soll Urlaub sein? Um fünf in der Früh aufstehen um ein paar alte Steine anzugucken? Bin doch nicht blöd Mann! Waren doch erst gestern bei so einem Haufen") Vielleicht hast du solche reden auch schon gehört und dich dann gefragt, was die eigentlich hier wollen. Wie schön ist es doch da (wenigstens jetzt noch) zwischen cairo und luxor!
Gruss chateri
"Schön aber ist es, wenn die Hände der Menschen Pyramiden bauen..."

Aus den Mahnworten des Ipuwer, Papyrus Leiden 344 (um 1292-1186 v.Chr., 19.Dyn.)

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Uli
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Beitragvon Uli » Do 15 Apr, 2004 15:50

Hallo chateri,

dein reisebericht vom letzten jahr hat leider immer noch gültigkeit.


das will ich doch hoffen, denn er ist noch nicht mal zur Hälfte fertig :shock:

Ich denke, man sollte sich vielmehr gedanken darüber machen, wie das verhalten der besucher gesteuert werden kann.


Genau das meinte ich damit. Warum passt da keiner auf? Warum müssen da Leute wie Du und ich rummotzen und die Touris anpöbeln, damit die die Finger von den Zeichnungen lassen?
Bild
Da sollte man ruhig noch ein paar Wächter anstellen, die aufpassen und vor allem sollte man denen klare Anweisungen geben, worauf sie zu achten haben. Und dann sollten Ägyptologen (denn das sind vermutlich die einzigsten die da fast unbestechlich sind) diese Wächter stichprobenartig kontrollieren. Und wenn einer nicht aufpasst, oder gegen Bakschisch Blitzlicht zulässt, dann wird der abschreckenderweise direkt gefeuert. Und und und. Warum machen die sich über sowas keine Gedanken?
Statt dessen alles zuschliessen? Wozu wollen sie es dann noch aufbewahren, wenn es eh keiner sehen darf. Aber naja, da gibts ja eben noch die amerikanischen Fernsehteams....
Bild

("Das soll Urlaub sein? Um fünf in der Früh aufstehen um ein paar alte Steine anzugucken? Bin doch nicht blöd Mann! Waren doch erst gestern bei so einem Haufen") Vielleicht hast du solche reden auch schon gehört und dich dann gefragt, was die eigentlich hier wollen.


Jo, ich hoffe jedes Jahr, dass wir solche Köppe nicht in der Gruppe haben.
Aber solange die Nilkreuzfahrten noch so erschwinglich sind, wird es auch solche Leute geben. (die sich dann abends mit ner schrecklichen Bierfahne neben dich setzen und Dir erst mal alle Reisemängel aufzählen Bild)

Wie schön ist es doch da (wenigstens jetzt noch) zwischen cairo und luxor!


Das werden wir im September testen! Bild
Aber es stimmt schon, desto ausgefallener die Reise ist, desto seltener trifft man auf diese Touri-Sorte.
Aber man sollte auch nicht aufgeben und solche Leute auch für die Probleme sensibilisieren. Denn nicht alle sind hoffnungslose Fälle. Habe auch oft von Leuten gehört, die das erste Mal dorthin gefahren sind und keine Ahnung hatten, dass der Blitz den Zeichnungen schadet. Und auch die Frau mit der Sprühflasche war sich offensichtlich keiner Schuld bewusst. Man versuchte ihr zu erklären, was daran falsch ist in den Gräbern mit Wasser rumzusprühen und an ihrer Reaktion war zu erkennen, dass sie da vorher überhaupt nicht drüber nachgedacht hatte. Und es war ihr sichtlich peinlich.

Also auch weiterhin aufklären, drüber reden mit den Mitreisenden, und auch im Internet immer wieder schreiben, wie man sich verhalten sollte.
Nicht jeder Fall ist hoffnungslos.

Gruß
Uli

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Beitragvon chateri » Fr 16 Apr, 2004 09:27

Hi uli,

meine äußerung
dein reisebericht vom letzten jahr hat leider immer noch gültigkeit.
bezog sich doch nur auf die beobachtungen bezüglich der "grabschänder". Ach ja, und Mr. Hawass gibt es auch noch :P Hoffentlich geht sein Traum Kuturminister zu werden nie in Erfüllung. Denn dann sieht´s schwarz aus für uns fürchte ich.
Im übrigen habe ich nach der reise mit frau reinert von OFT einige mails gewechselt. Derzeit sind verhandlungen im gang, die strecke cairo - luxor auch wieder für den schiffsverkehr zugänglich zu machen. Allerdings wird das noch eine weile dauern. Das wird dann zwar bequemer werden, aber die eindrücke, die man jetzt noch gewinnen kann, werden dann nicht mehr möglich sein. Ich hoffe nur, dass du (ihr) im herbst ebensoviel glück haben wirst, wie ich. Es gäbe da soviel an "nebensächlichkeiten" zu erzählen, aber die zeit fehlt mir! Habe ja auch mal eine eigene website angefangen, aber ausser der startseite und der überschrift auf seite zwo "So ging´s los" ist da nichts zu sehen. :-D
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Beitragvon Uli » Fr 16 Apr, 2004 13:25

Hallo chateri,

oh ja, ich kenne das. Ich komm ja mit meinem Reisebericht auch nicht in die Pötte. Aber der is ja auch riiiesig!

Auf jeden Fall hast Du mich jetzt natürlich echt neugierig gemacht! Aber wir haben ja jetzt Wochenende, da kannste ja schon mal ein paar Seiten fertig machen :wink:

Sag auf jeden Fall Bescheid, wenns was zum lesen gibt! Denn gerade die Nebensächlichkeiten interessieren uns :-D

Gruß
Uli

PS: Die Tour per Schiff fänd ich aber auch klasse. Denn da oben ist die Landschaft am Nil ja auch wieder anders...

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Nephtes
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Beitragvon Nephtes » Fr 16 Apr, 2004 17:02

Hallo ihr lieben,
leider läßt sich dieses "nach mir die Sintflut Verhalten" einiger Touristen viel zu oft beobachten.
Sicher haben wir immer die Möglichkeit vor Ort einzugreifen, aber ich denke auch, daß unser Forum einen wichtigen Teil dazubeitragen kann, die Touristen für diese Thematik zu sensibilisieren.
Ich denke, daß dieses Thema unbedingt in den Bereich Ägypten gestern und heute gehört, so daß sich angehende Touris zumindest Ansatzweise Gedanken über ihr zukünftiges Verhalten machen können!
Denn es ist sicherlich oftmals keine böse Absicht, sondern viel zu oft, mangelndes Wissen (was die Schäden allerdings auch nicht geringfügiger macht!)
Und bei unseren eigenen Schilderungen, dürfen wir nicht außer Acht lassen, daß wir in diesem Moment sicherlich auch Vorbildfunktion haben.
Mag sein, daß sich das nach moralischem Zeigefinger anhört, aber nicht jeder Gast kann Insiderwitze erkennen und überträgt alles stumpf auf seinen nächsten Urlaub!
Gerade ein Forum wie dieses bietet die Möglichkeit auf "do's" oder "don'ts"
aufmerksam zu machen!

Ma salama

Nephtes
Solange du dem andern sein Anderssein nicht verzeihen kannst, bist du noch weit ab vom Weg zur Weisheit.

Chinesische Weisheit

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Beitragvon Uli » Fr 16 Apr, 2004 19:34

Nephtes hat geschrieben:Ich denke, daß dieses Thema unbedingt in den Bereich Ägypten gestern und heute gehört, so daß sich angehende Touris zumindest Ansatzweise Gedanken über ihr zukünftiges Verhalten machen können!

Schon passiert.
Aber ob die Leute hier eher mal reingucken??

Gruß
Uli