GESCHICHTLICHER ÜBERBLICK
Die Geschichte der Nilkultur reicht so weit zurück, daß sich ihre Anfänge im dunkeln verlieren. Als die griechischen Stadtstaaten oder das Römische Imperium den Gipfel ihrer Macht erreichten, blickte Ägypten bereits auf eine dreitausendjährige Vergangenheit zurück. Im Unterschied zu Griechen und Römern hinterließen die Pharaonenreiche allerdings kaum schriftlich fixierte Texte, die uns Einblick in ihre Welt bieten könnten.
Die archaische Zeit - Das alte ReichErste Zwischenzeit - Das Mittlere Reich
Zweite Zwischenzeit - Das neue Reich
Der Niedergang der Pharaonen - Die Ptolemäer
Die Römer - Die arabische Invasion
Das Zeitalter Saladins - Die Mamelucken
Das Osmanische Reich - Napoleon in Ägypten
Mehmed Ali Pascha - Die britische Verwaltung
Der Zweite Weltkrieg - Ägypten seit 1945
Im Niltal entdeckten Archäologen Steinwerkzeuge neolithischer Gemeinschaften, die um 5000 v. Chr. hier siedelten. Um 3300 v. Chr. begann sich ein soziales und politisches System auszubilden, und zwischen 3200 und 3000 v. Chr. herrschte ein König über das Niltal. Menes begründete die erste von 30 Dynastien, die rund 3000 Jahre lang Ägypten regierten. Menes und die beiden folgenden Dynastien blieben vier Jahrhunderte an der Macht. Sie machten zunächst Thinis, dann Memphis im Süden der heutigen Metropole Kairo zu ihrer Hauptstadt. Menes soll Ober- und Unterägypten geeint und die verschiedenen Stämme im Niltal zu einem Großreich zusammengeschlossen haben.
Zwischen 2649 und 2150 v. Chr. herrschte die 3. bis 6. Dynastie. Diese Zeit bezeichnet man als Altes Reich. Die Könige begannen, große Grabstätten, Tempel und Pyramiden in Sakkara, Gizeh, Abusir und Dahschur zu errichten. Politik und Gesellschaft formten sich weiter aus, und es entstand ein komplexer Staat. An seiner Spitze herrschte ein König (erst ab 950 v. Chr. trug er den Titel Pharao), der über absolute Macht verfügte und mit Hilfe einer vielköpfigen Beamtenschaft regierte.
Die Bauern waren vom Nilhochwasser abhängig. In Zeiten, in denen es keine Felder zu bestellen gab, muß-ten sie Arbeiten für den König verrichten. Auf diese Weise entstanden unter der 4. Dynastie die großen Pyramiden des Cheops, Chephren und Mykerinos in Gizeh. Auch die Religion hatte sich inzwischen ausdifferenziert. Die Menschen verehrten Ra, den Sonnengott, sowie eine Vielzahl weiterer Götter, mit denen sie bestimmte Aspekte des Lebens verbanden.
Nun baute Ägypten auch Handelsbeziehungen auf. Schiffe fuhren nach Punt (heute Somalia) und zur Arabischen Halbinsel. Von ihren Expeditionen brachten sie Harz, Elfenbein, Holz und Sklaven mit. Auf der Sinai-Halbinsel förderten die Ägypter Kupfer und Türkise; an der südlichen Grenze, in Nubien, lagen reiche Goldminen.
Am Ende des Alten Reiches kam es zu einer schweren Krise, die von 2134-2040 v. Chr. dauerte. Die Provinzstatthalter hatten an Einfluß gewonnen und lehnten sich gegen die Zentralmacht auf. Später bekriegten sie sich untereinander. Die Könige der 7. und 8. Dynastie waren nicht in der Lage, die Macht wieder zu übernehmen. Diese Periode dynastischer Wirren bezeichnet man als Erste Zwischenzeit.
Einige der kriegerischen Fürsten konnten ihre Macht konsolidieren und wollten selbst als Könige regieren. Zwischen 2134 und 2040 v. Chr. stieg in Herakleopolis in der Nähe der heutigen Stadt Assiut ein neues Königsgeschlecht auf, das erst die thebanischen Fürsten der 11. Dynastie überwanden. Das Mittlere Reich dauerte von 2134-ca. 1784 v. Chr. Hauptstadt war zumeist Theben, die 11. und 12. Dynastie verlegten sie allerdings nach Lischt. Diese Zeit gilt als eine Epoche der Reformen, in der sich das Reich festigte und ausdehnte. Die Könige erließen Gesetze zur Förderung des Landbaus. In der Folge entwickelte sich das Faijum zu einem der fruchtbarsten Teile Ägyptens. Auch nach Süden hin expandierte das Land; die Könige eroberten Nubien und unterhielten Handelsverbindungen bis zum Roten Meer und weit in den Mittleren Osten hinein. In Oberägypten galt Abydos als bedeutendes religiöses Zentrum des Osiriskultes.
Zwischen 1784 und 1550 v. Chr. brach noch einmal das Chaos über Ägypten herein. Diesmal verursachte eine Bedrohung von außen die Wirren: Die Hyksos, ein kriegerisches Volk aus Kleinasien, drangen über Palästina und den Sinai bis nach Ägypten vor. Dank ihrer Pferde und Streitwagen - beide waren in Ägypten unbekannt - und ihrer Bronzewerkzeuge und -waffen konnten sie die Ägypter besiegen.
Die Hyksos siedelten zunächst im fruchtbaren Nildelta und errichteten hier ihre Hauptstadt. Etwa zeitgleich brach in Nubien im Süden des Reiches ein Aufstand lokaler Fürsten aus. Die thebanischen Fürsten der 17. Dynastie erhoben sich gegen die Hyksos und konnten sie unter Ahmose, dem Begründer der 18. Dynastie, vertreiben. Seine Regierung leitete den Beginn des Neuen Reiches ein.
In dieser Epoche gelangte die ägyptische Kultur zu höchster Blüte. Das Reich dehnte sich nunmehr vom vierten Katarakt des Nils im Sudan bis zum Euphrat im heutigen Irak aus. Die 18. Dynastie hielt ihre Eroberungen mit Hilfe von Hieroglyphen fest, die sich zum Beispiel im Tempelkomplex von Karnak in Theben finden. Hatschepsut (1490-1468 v. Chr.) herrschte als erste Königin aus eigenem Recht über Ägypten und ordnete den Bau herrlicher Tempel und Monumente an. Allerdings hatte sie den Thron usurpiert, weshalb ihr Nachfolger, Thutmosis III., die Bauwerke zerstören und ihren Namen aus sämtlichen Inschriften tilgen ließ. Thutmosis gehört zu den bedeutendsten Königen Ägyptens. Er führte insgesamt 17 Feldzüge gegen die Hethiter aus Kleinasien und das Mitanni-Reich in Nordmesopotamien. Seinen Eroberungen folgte eine kurze Phase des Friedens, in der eine geschickte Heiratspolitik zwischen Ägyptern, Hethitern und Mitanni die Lage beruhigte. Diese Zeit gilt als Höhepunkt der ägyptischen Pharaonenmacht. Die Könige richteten ihr Augenmerk nun stärker auf innenpolitische und gesellschaftliche Erneuerungen und planten mächtige Bauten, mit denen sie sich ein Denkmal für die Ewigkeit setzen wollten. Große Tempelanlagen sollten außerdem die Götter milde stimmen. Amenophis III. (1386-1349 v. Chr.) erbaute den Tempel von Luxor am Westufer des Nils. Von einem weiteren, noch größeren Gedächtnistempel blieben nur zwei riesige Statuen, die soge-nannten Memnonskolosse, erhalten.
Amenophis' Nachfolger Echnaton wandte sich von dem antiken Pantheon mit dem Hauptgott Amun ab. An seiner Stelle huldigte er einzig und allein Aton, der Sonnenscheibe. Echnaton verlegte die Hauptstadt von Theben nach Akhetaten in der Nähe des heutigen Tell el-Amarna. Die Kon-flikte, die aus diesem Bruch mit über-kommenen Traditionen resultierten, führten zu politischen Wirren. In der Folge verlor Ägypten Teile seiner Er-oberungen im Osten an aufständische Fürsten und die immer noch mäch-tigen Hethiter. Nach Echnatons Tod kehrte man zur alten Ordnung zu-rück. Archäologische Funde belegen jedoch unzweifelhaft die Existenz des wenig geliebten Königs. Zum einen entdeckte man die berühmte Büste seiner Gemahlin Nofretete, deren Name in der Antike als Synonym fur Schönheit galt. Zum anderen fand Howard Carter 1922 das Grab von Echnatons Sohn Tut-anch-Amun, der die alte Religion wieder eingeführt hatte. Er regierte nur sieben Jahre und starb bereits mit 19 Jah-ren. Mit seinem Nachfolger Eje endete die 18. Dynastie.
Sethos I. (1304-1290 v. Chr.), der zweite Pharao der 19. Dynastie, versuchte das Reich wieder bis an die ein-stigen Grenzen auszudehnen. Sein Nachfolger, Ramses II. (1290-1224 v. Chr.), baute einige der eindrucksvollsten Monumente, etwa das Ramesseum am Westufer des Nils und den Tempel von Abu Simbel. Darüber hinaus ge-lang es ihm 1285, die Hethiter in der Schlacht von Ka-desch zu besiegen. Der nachfolgende Pharao, Meren-ptah, schlug eine libysche Invasion im Nildelta zurück.
Unter Ramses III,, dem Begründer der 20. Dynastie, er-lebte das Pharaonenreich eine letzte Ruhephase, bevor der Niedergang begann. Er besiegte die Libyer und die Seevölker, die vermutlich aus der Ägäis und dem östli-chen Mittelmeerraum stammten. Die Reliefs, die an seine Siege erinnern, zeigen ein von alien Seiten bedrohtes Reich. Angreifer von außen nutzten die innere Zerrissen-heit des Landes, in dem die Pharaonen mit den Amun-priestern aus Theben um die Macht wetteiferten.
Vom Ende der 20. Dynastie im Jahre 1070 v. Chr. bis zur Invasion Alexanders des Großen 332 v. Chr. herrschte kaum eine Dynastie länger als 150 Jahre. Unter einer li-byschen Dynastie, die von Tanis aus regierte, unterwarf Nubien das oberägyptische Reich. Zeitweilig herrschten die äthiopischen Könige über ganz Ägypten. Dann fielen die Assyrer ins Land ein und eroberten Memphis und Theben. Im 7. und 6. Jh. v. Chr. stieg Sais zu einem wich-tigen Machtzentrum auf. Mit Hilfe griechischer Söldner konnten die dortigen Fürsten die Assyrer verjagen.
Im 5. Jh. stand Ägypten unter persischer Oberhoheit, und noch einmal baten die Ägypter die Griechen um Hilfe. Auf diese Weise gelang es, die Perser abzuschüt-teln, doch kehrten sie 343 v. Chr. zurück, ehe sie das Reich ein Jahr später endgültig an Alexander den Großen verloren. Nach Alexanders Tod brach das gewaltige Reich rasch zusammen. Über Ägypten herrschte nun die Dynastie der Ptolemäer unter Ptolemaios I. Soter.
Von Alexandria aus regierten die Ptolemäer Ägypten als Teil der hellenischen Welt und nahmen selbst Einflüsse der ägyptischen Kultur auf. In Alexandria bauten sie die berühmte Bibliothek und den Leuchtturm, den der Reisende und Geschichtsschreiber Herodot zu den Sieben Weltwundern der Antike zählte. Darüber hinaus erweiterte Ptolemaios III. den Tempel von Karnak und errichtete ein Heiligtum in Edfu. Ptolemaios IV. verdanken wir die Tempel von Esna und Kom Ombo; Ptolemaios XII. errichtete Kultstätten in Dendera, Edfu und Philae.
Im 1. Jh. v. Chr. dehnte sich das Römische Imperium bis an die Grenzen Ägyptens aus. Ptolemaios XII. vermochte die Unabhängigkeit Ägyptens durch diplomatisches Geschick zu behaupten. Seine Nachfolgerin, Kleopatra VII., verband sich zunächst mit Julius Cäsar, dann mit Mark Anton. Nach Cäsars Tod brach in Rom der Bürgerkrieg aus, in dem sich erst seine Gegner und Anhänger, später Mark Anton und Cäsars Großneffe und Adoptivsohn Oktavian gegenüberstanden. Oktavian, der spätere Augu-stus, besiegte Mark Anton und Kleopatra in der Schlacht von Aktium (31 v. Chr.) und nahm Alexandria ein. Ägypten gehörte nunmehr als römische Provinz zum riesigen Imperium. Der heilige Markus soll um 45 n. Chr. in Alexandria gewirkt und das Evangelium verbreitet haben.
Nachdem das Römische Imperium im Jahre 379 in ein Ost- und ein Weströmisches Reich zerfallen war, unterstand Ägypten der oströmischen Hauptstadt Byzanz.
Von der Völkerwanderung und der Invasion der Barbaren, die im 5. Jh. das Ende des Weströmischen Reiches einläuteten, spürte Ägypten ebensowenig wie von den Kriegen, die Byzanz mit seinen verschiedenen Nachbarn führte.
Um so überraschender kam daher die Eroberung durch die Araber im Jahre 640 - nur acht Jahre nach Mohammeds Tod drangen muslimische Reiterhorden nach Ägypten vor. 641 nahmen sie die Festung Babylon, den Kern des heutigen Kairo ein, ein Jahr später war auch Alexandria in ihrer Hand. In den folgenden Jahrhunderten blieben die muslimischen Emire von Ägypten Vasallen des abbasidischen Kalifats von Bagdad, der damaligen Hauptstadt der islamischen Welt. 878 ernannte sich Ibn Tulun, der Statthalter von Ägypten, zum unabhängigen Sultan. Nach seinem Tod unterstand das Land abermals dem Kalifat, das Ägypten bis 969 mit Hilfe von Vasallen regierte. In jenem Jahr siegten die fatimidischen Kalifen aus dem nordafrikanischen Kairuan über die Abbasiden und verlegten ihren Hauptsitz an den Nil, wo sie die Stadt El-Qahira (die Siegreiche) gründeten. Kairo stieg rasch zu einem der wichtigsten politischen, religiösen und kulturellen Zentren der islamischen Welt auf.
Im Jahre 1096 landeten die Ritter des Ersten Kreuzzuges in Palästina. Sie wollten die Muslime aus dem Heiligen
Land vertreiben. Die Kreuzfahrer gründeten eine Kette kleiner Königreiche und Fürstentümer entlang der palästinensisch-syrischen Mittelmeerküste. Mit europäischer Unterstützung breiteten sie sich immer weiter aus und eroberten 1099 Jerusalem. Mitte des 12. Jh. bedrohten sie Ägypten, doch wendete sich das Blatt. 1187 eroberte Saladin Jerusalem und die Kreuzfahrerstaaten zurück. Er befestigte Kairo und baute die mächtige Zitadelle, die noch heute das Herz der Altstadt bildet.
Saladins Erben regierten bis 1250. Dann bestieg der Mamelucke Aibek den Thron. Die Mamelucken waren zum Islam bekehrte türkisch-kaukasische Sklaven, die als Soldaten und Leibwache des Sultans dienten. Sie stiegen in Ägypten zur mächtigsten politischen und militärischen Führungsschicht auf. Bürgerkriege und Palastrevolten, aber auch große territoriale Zugewinne kennzeichneten die folgenden drei Jahrhunderte der ägyptischen Geschichte.
Die osmanischen Türken, die um das 9. Jh. aus Zentralasien vorgedrungen waren, vollendeten in der Zwischenzeit die Eroberung Kleinasiens. Sie machten auch vor den Grenzen des Byzantinischen Reiches nicht halt und eroberten 1453 Konstantinopel. Im Jahre 1517 richtete Sultan Selim I. sein Augenmerk auf Ägypten. Die Mamelucken vermochten dem Osmanenherrscher kaum Widerstand entgegenzusetzen. Für drei Jahrhunderte unterstand Ägypten dem Osmanischen Reich, das sich vom Balkan bis zum Roten Meer ausdehnte. Der Sultan von Konstantinopel regierte das gewaltige Imperium mit Hilfe einer Reihe von Gouverneuren, den Paschas. Ägypten war nun nur noch eine von zahlreichen Provinzen. Allerdings blieb die 971 gegründete muslimische El-Ashar-Universität eine der bedeutendsten theologischen Hochschulen der islamischen Welt.
Ins Licht der Geschichte trat Ägypten erst wieder, als 1798 französische Truppen unter der Führung von Napoleon Bonaparte in Alexandria landeten. Der Korse wollte Ägypten unter französischen Einfluß bringen, um auf diese Weise die Handelsrouten von Indien zur Landenge von Suez zu kontrollieren und den Engländern den Nachschub abzuschneiden. Zwar war der Expedition kein bleibender militärischer, wohl aber ein dauerhafter wissenschaftlicher Erfolg beschieden. Mit Napoleon kam nämlich eine Gruppe französischer Wissenschaftler und Künstler, die die ägyptischen Altertümer untersuchten und zeichneten. Die Soldaten ritzten ihre Namen in die Steine von Tempeln und Obelisken, wo sie zum Teil heute noch zu lesen sind, doch die Gelehrten begannen die antiken Kunstschätze Ägyptens zu entdecken. Während der napoleonischen Expedition entdeckte man auch den Stein von Rosetta, mit dessen Hilfe Champollion 1799 die Hieroglyphenschrift entschlüsselte.
Unter militärischen Gesichtspunkten scheiterte die Expedition indes ganz und gar, und Napoleon kehrte schwer geschlagen nach Frankreich zurück. Zwar zogen sich die Kämpfe hin, doch mußte die französische Armee letztlich auf Druck der Briten kapitulieren. Im Jahre 1801 verließen Soldaten und Forscher das Land am Nil.
Napoleons Ägyptenfeldzug markierte den Beginn einer neuen Epoche. Nach dem Abzug der Franzosen machte sich eine neue Generation bereit, die Macht im Land zu übernehmen. Aus den Wirren, die durch die Europäer entstanden waren, ging der albanischstämmige Offizier Mohammed (Mehmed) Ali als starker Mann hervor. Mit der Unterstützung der Armee machte er sich selbst zum Pascha von Ägypten. Formell erkannte er den Sultan von Konstantinopel als obersten Herrscher an, tatsächlich regierte er Ägypten jedoch 40 Jahre völlig eigenständig. In dieser Zeit unternahm er große Anstrengungen, um das Land zu modernisieren. Die Nachfolger Mehmed Alis, die selbst als Khediven die Staatsgeschicke leiteten, erreichten schließlich die vollständige Unabhängigkeit von der Hohen Pforte,
Je weiter die europäischen Kolonialmächte ihre Fühler gen Asien streckten, um so schneller wollten sie zu ihren neuen Besitzungen gelangen. Ein Kanal durch die Landenge von Suez schien der geeignete Weg, um die gefährliche Fahrt um das Kap der Guten Hoffnung abzukürzen. Der französische Ingenieur Ferdinand de Lesseps plante 1869 das gigantische Projekt. Zunächst besaß Ägypten 44 Prozent der Anteile der Suezgesellschaft, doch unter Khedive Ismail erreichte die Staatsverschuldung so enorme Höhen, daß Ägypten seine Anteile an Großbritannien und Frankreich verkaufen mußte. Ab 1876 wurden schließlich alle finanziellen Transaktionen der ägyptischen Regierung von einer mit Europäern besetzten Kommission kontrolliert. Nach einem Aufstand der ägyptischen Armee besetzten britische und französische Truppen Alexandria. Im Kampf um die Oberhoheit über Ägypten und den Suezkanal konnte England sich gegen Frankreich durchsetzen. Der Khedive regierte nur noch als Marionettenkönig des britischen Empires.
Die lange Anwesenheit der Briten und Franzosen in Ägypten bewirkte, daß Ägypten »in Mode« kam, und man begann mit der systematischen Erforschung der Gräber und Tempel von Gizeh, Memphis und Theben. Zunächst zog es nur einige Abenteurer zu den historischen Stätten. Nach und nach strukturierte sich jedoch die Suche, und mit der Gründung des Ägyptischen Museums konstituierte sich 1858 die Ägyptologie als Wissenschaft.
1914 wurde Ägypten britisches Protektorat. 1922 erhielt das Land seine Unabhängigkeit zurück, doch blieben Truppen zur Kontrolle des Suezkanals im Land.
Während des Zweiten Weltkrieges besaß der Suezkanal große strategische Bedeutung. In der Libyschen Wüste kämpften Einheiten der Alliierten gegen italienische Truppen und, nach deren Niederlage, gegen das deutsche Afrikakorps unter Feldmarschall Rommel. Im November 1942 errangen sie in El-Alamein, 100 km westlich von Alexandria, den entscheidenden Sieg, der zum Rückzug der deutschen Soldaten aus Ägypten führte.
1945 gehörte Ägypten zu den Gründungsmitgliedern der Arabischen Liga. 1948 brach der Erste Nahostkrieg aus, als Truppen verschiedener arabischer Staaten in den soeben proklamierten Staat Israel einmarschierten. Die Niederlage der Araber steigerte den Zorn der Ägypter auf den unfähigen und exzentrischen König Faruk, der 1936 den Thron bestiegen hatte. Im Juli 1952 setzte eine Gruppe von Offizieren um Gamal Abd el-Nasser den Monarchen ab. 1953 wurde die Ägyptische Republik ausgerufen.
Als die Briten 1956 Zahlungen der Weltbank für den Assuan-Hochdamm blockierten, verstaatlichte Nasser den Suez-Kanal und löste die Suez-Krise aus. Engländer, Franzosen und Israelis bombardierten den Kanal. Schließlich zogen sich die Truppen auf Druck der Vereinigten Staaten und der Sowjetunion zurück. Nassers Ansehen in der arabischen Welt stieg dadurch über Nacht erheblich. Er betrieb die Annäherung Ägyptens an die UdSSR, von der er militärische und technische Unterstützung erhielt. Mit Hilfe sowjetischer Experten und Gelder wurde der Assuan-Hochdamm, Nassers ehrgeizigstes Projekt, begonnen und 1971, ein Jahr nach seinem Tod, fertiggestellt. Auch nach dem verlorenen Sechstagekrieg im Jahre 1967 büßte der Staatsmann nichts an Popularität ein, obwohl Israel die Sinai-Halbinsel bis zum Suezkanal erobert hatte.
Nassers Nachfolger, Anwar el-Sadat, wandte sich von der Sowjetunion ab und bemühte sich um ein besseres Verhältnis zu den Westmächten. Im Oktober 1973 zog er die ägyptischen Streitkräfte rings um den Suezkanal zusammen und versuchte im Jom-Kippur-Krieg, die Israelis vom Sinai zu vertreiben. Er gewann die Suezkanalzone zurück und stärkte dadurch das Nationalbewußtsein der Ägypter, das 1967 gelitten hatte. Ab 1977 bemühte sich Sadat um einen Frieden mit Israel, der 1979 durch den Vertrag von Camp David Wirklichkeit wurde. Ägypten erkannte Israel als Staat an und erhielt im Austausch dafür die Sinai-Halbinsel zurück. Durch sein Engagement zog sich Sadat den Zorn seiner arabischen Nachbarn zu, die Israel nach wie vor das Existenzrecht absprachen. Fanatische Moslems töteten Sadat im Jahr 1981.
Sein Nachfolger, Hosni Mubarak, setzte Sadats Politik der Annäherung an den Westen fort, versuchte aber zugleich, das Verhältnis zu den arabischen Staaten zu verbessern. Während seiner Regierungszeit verstärkte sich der islamische Fundamentalismus, der die Öffnung zum Westen hin ablehnt und einen rein muslimischen Staat nach den Gesetzen des Korans fordert. Fanatische Extremisten haben in den achtziger und neunziger Jahren immer wieder Anschläge auf Gebäude und Touristenzentren in Kairo, Alexandria und Theben verübt, die zahlreiche Menschenleben forderten.
Kontakt mit Isis & Osiris©2003 by Isis & Osiris